„Der sechste Geschmackssinn“

Santi Taura über die Neuinterpretation traditionell mallorquinischer Rezepte.

Santi Taura

… und das“, resümiert Santi Taura, „ist der sechste Geschmackssinn“. Einfach zu erklären ist sie nicht, seine wichtigste Zutat.

Wenn ein Koch von der Arbeit nach Hause kommt, ist Kochen wohl das Letzte, woran er denkt. Bei Santi bleibt der Herd zwar kalt, aber im Kopf kocht er weiter. Er brütet über Büchern, die die Geheimnisse der vergessenen und verschollenen Rezepte der mallorquinischen Küche bewahren. Wenn es sein muss, auch in den mehrere tausend Seiten starken Werken des Erzherzogs Ludwig Salvator. Die Geschichten, die er dort entdeckt, sind die Grundlage der Rezepte seines Restaurants Dins (mallorquinisch für drinnen), das nun von Lloseta in das Hotel El Llorenç in Palma umzieht.

„Wie konnte man nur anfangen, Schnecken zu essen?“, fragt Santi und lacht dabei. „Auf Mallorca litten die Menschen lange Zeit Hunger, da hat man so gut wie alles gegessen“, erklärt er. Es ist erfrischend mit jemandem zu sprechen, der die eigene Kultur mit Ironie betrachten kann, obwohl es die mallorquinische Geschichte ist, die ein wichtigeres Werkzeug ist, als das Messer in seiner Küche ist. Was wir aus Frankreich als Delikatesse kennen, ist auf Mallorca ein Gericht, das aus der Not geboren wurde. Eine andere Geschichte erzählt der Tocino de Cielo, eine süße Eierspeise. „Ursprünglich kommt der Tocino de Cielo aus den Klöstern, da diese zum einen viele Hühner besaßen, zum anderen oftmals Eier als Dankesgabe erhielten. Es gab also immer viel zu viele Eier.“

Besonders bei traditionellen Rezepten ist die Erwartungshaltung hoch: „Da sagt der Mallorquiner dann oft: ‚Ach, das Gericht kocht meine Mutter vorzüglich!‘ – nur weiß er nicht, dass wir etwas mehr Zeit als seine Mutter in die Gerichte stecken“, sagt Santi und lacht herzlich.

Mit viel Charme und Witz erzählt er uns diese Anekdoten und Geschichten über die kulinarische Welt Mallorcas. Seine Frohnatur war sicherlich auch ein Grund dafür, dass er über mehrere Staffeln hinweg im Programm Cuina amb Santi Taura für den lokalen Sender IB3 kochte. Nur der Geschäftsmann war bisher nicht in ihm zu wecken: „Ich bin Koch und will das auch bleiben. Im Dins mache ich alles selbst, ich koche, serviere und erkläre jedes Gericht.“
„Das Dins nach Palma zu bringen“, erklärt er weiter, „ist unser nächster großer Schritt. Das Besondere ist der historische Rahmen des Hotels in dem alten Judenviertel Calatrava. Im Hotel wurde unter anderem ein antiker arabischer Ofen aus dem 12. Jahrhundert gefunden. Der Gast kann die Gegend erkunden, sich die Kathedrale anschauen und verspeist dann bei uns Geschichte.“ Seine historische Küche hat ein passendes Zuhause gefunden.

„Viele Mallorquiner, die im Dins gegessen haben, sagten mir danach: ‚Hier muss ich meine Eltern herbringen‘ – es erinnert sie an früher.“ Es ist wie der Duft eines Parfüms, das uns an eine ehemalige Liebe erinnert. Wie eine Musik, die uns wieder wie Jugendliche fühlen lässt. Es ist der Geschmack der Nostalgie, den Santi mit Forschung, Hingabe und Einfallsreichtum wieder aufleben lässt und neu erfindet.

Photos by Sara Savage

Kontakt

Santi Taura

Hotel El Llorenç - Plaça de Llorenç Villalonga, 4, Palma