Ein Großteil des Publikums mag die Texte ihrer mallorquinischen Lieder nicht verstehen. Doch ihre gefühlvolle Stimme und die sanften Melodien, die an die maurische Vergangenheit der Insel erinnern, treffen die Zuhörer mitten ins Herz. Mit ihrer mallorquinischen Folklore spielt die gerade einmal 22-jährige Júlia eine wichtige Rolle in der Erhaltung der traditionellen Inselmusik.
Erhaltung ist vielleicht nicht der richtige Begriff, denn das bedeutet den ursprünglichen Zustand zu bewahren. Und darauf ist die leidenschaftliche, dunkeläugige Júlia nicht aus. Wer sich die Sängerin in einer traditionellen Tracht vorstellt, wie sie reizende Volkslieder sind, liegt komplett falsch. Ihre Onlinepräsenz zeigt eine junge, moderne Frau, die experimentierfreudig und selbstbewusst ihre Kleidung, ihren Tanzstil und ihre Musikkollegen wählt.
„Meine Herausforderung ist, die Musik nicht altmodisch klingen zu lassen”, erklärt sie, „ich möchte, dass sie Menschen meines Alters anspricht.” Júlia ist fest davon überzeugt, dass Mallorcas Folklore nicht in Museen oder private Sammlungen gehört. „Sie muss jeden Tag neu erfunden und von großen Musikern gespielt werden.” Diese Art von Musik erlaubt es ihr ganz ohne Filter zu Singen. Júlia strahlt: „Mit ihr identifiziere ich mich.” Bei dem Versuch, das typisch Mallorquinische an ihrer Musik festzumachen, erklärt sie, dass die Essenz – oder La Mallorquinidad, wie sie es nennt – nicht mit einer Sprache oder einem Instrument verknüpft sei. Vielmehr verleihe sie selbst ihrer Musik den mallorquinischen Klang, indem sie ihrer Identität und ihren Wurzeln treu bleibe.
Die mallorquinische Sängerin ist eng mit der Insel verbunden. Genau wie ihre Großmutter wurde auch sie in Valldemossa geboren. Aber außer ihrem Großvater, Nicolau Colom, gab es keine musikalischen Talente in ihrer Familie. Júlia spricht von ihm mit leuchtenden Augen. „Mein Großvater ist immer am Singen”, doch nicht beruflich, wie sie klar stellt. „Er trägt die Musik im Herzen.” Und auch jetzt noch treffen sich Júlia und der 93 Jahre alte Mann und tun, was sie immer schon getan haben. „Wir singen Lieder, die seine Mutter ihm als Kind vorgesungen hat, meist mehrstimmig und immer wieder abwechselnd.” Die Stücke, die Júlia während ihrer Konzerte aufführt, hat sie alle von ihrem Großvater gelernt.
Eines dieser Lieder spielt nicht nur in Júlias Leben, sondern auch in der Geschichte Mallorcas eine ganz besondere Rolle. Wer jemals eine Christmette auf der Insel besucht hat, kennt den mittelalterlichen Gesang der Sibylle vielleicht bereits, der 2010 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde. „Diesem Gesang wohnt ein Zauber inne”, strahlt Júlia, „die Sängerin erinnert an eine mächtige Hexe, die vom Himmel herabsteigt und die Menschen vor dem nahenden Tag des Jüngsten Gerichts warnt.”
Früher wurde dieses Lied ausschließlich von Jungen gesungen. Júlias Großvater sang es, ihr Vater sang es. Mit sieben Jahren, lange bevor sie Sängerin werden wollte, lernte auch sie das Lied von ihrem Großvater. Danach sang sie es in Kirchen, Gefängnissen… und auch in New York.
Ihr Auftritt in der amerikanischen Metropole wurde vom Mallorca-Rat zur Bewerbung der Insel organisiert – ein klares Indiz für die Anerkennung ihres Talents und ihrer Rolle, die sie beim Schutz der mallorquinischen Musik spielt. „Um Traditionen am Leben zu erhalten, müssen wir uns für sie interessieren”, ist die Sängerin überzeugt. Und wer sich für Júlias Gesang interessiert, kann sie diesen Sommer während ihrer Mallorca-Tournee an einigen ganz besonderen Orten hören. Weitere Details zu ihren Konzerten finden sie unter abc-mallorca.de.
Photos by Sara Savage