Wenn Sie Feinschmecker sind und auf Mallorca leben, kaufen Sie gewiss auf dem Markt von Santa Catalina ein. Dann wissen Sie sicher auch, dass, wenn man alte Gemüsesorten sucht, ein bestimmter Händler auf dem Markt duftende, unförmige Tomatensorten für Bruschetta in den Sommermonaten und saftige Blutorangen im Winter verkauft.
Doch wofür stehen die Gourmetköche der Insel am frühen Morgen Schlange?
Für alte Sorten essbarer Blüten – zarte, blassgelbe Mini-Rosen, dunkelviolette Veilchen und sternförmiges, blaues Gurkenkraut – und zwar nicht nur wegen ihrer dekorativen Wirkung auf dem Teller oder ihrer Eignung als Blumenschmuck, sondern wegen ihres Geschmacks.
Auf die Frage, welche berühmten Köche auf Mallorca ihre Blüten in ihren Restaurants verwendeten, lacht Heidi Göbel von Heidi’s Herbs (die bezaubernde Frau mit dem grünen Daumen, die sich um den Anbau der Pflanzen kümmert) und errötet: „Das sage ich lieber nicht“. Als wir aber nach der Verwendung der Blüten fragen, fängt sie an zu strahlen und offenbart ein geradezu enzyklopädisches Wissen über Blüten und deren Eigenschaften: Pasta mit wilden Fenchelblüten verfeinert, Omelette mit zarten, lilafarbenen Knoblauchknospen und Lamm mit pikanten Rosmarin-Blütenblättern, um nur einige zu nennen. „Ich lasse in meinem Garten alles auswachsen. Die Blüten von Salbei, Kohl und Rucola haben dieselben Eigenschaften wie die Blätter, sind aber noch schmackhafter. Ich verkaufe ausschließlich wohlschmeckende Blüten, keine Gänseblümchen und keinen Löwenzahn. Man kann auch Tulpen essen, aber wer will das schon?“
Heidis Leidenschaft für Blüten und deren Alchemie in der Küche und bei der Heilung lässt sich bis in ihre Kindheit zurückverfolgen, die sie im subtropischen „Nebelgürtel“ von Südafrika verbrachte. Hohe Niederschlagsmengen und feuchtes Klima boten ideale Bedingungen für den Anbau. Gärtnern und Kochen „gehörten zur heimatlichen Kultur“ und der Gaumen war anspruchsvoll. In der südafrikanischen Kochkunst gibt es eine große Geschmacksvielfalt, die zum Teil auf die indischen Einwanderer zurückgeht, die nach Südafrika kamen, um auf den Zuckerrohrfarmen zu arbeiten, und die ihre Currys und Gewürze mitbrachten.
Die indigenen Kapmalaien verwenden in ihrer Küche Früchte und ungewöhnliche, selbst gesammelte Zutaten. Aus all dem entwickelte Heidi ein Gespür für Geschmacksrichtungen und eine vom Umweltschutz geprägte Vision für ihren Garten.
Sie hat ihren eigenen Brunnen und geht sorgsam mit dem Wasser um. Mit ihren Blüten hat sie sich als biodynamischer Erzeuger eintragen lassen – kein leichtes Unterfangen auf Mallorca.
All ihre Blühpflanzen wachsen auf organischen Böden ohne Pestizide in ihrem eigenen, 70 Quadratmeter großen Garten in Binissalem. Sie züchtet sie selbst aus Saatgut von alten Sorten und hat sogar ihre eigene Saatgutbank aufgebaut, wobei sie ihre Samen von alten Pflanzensorten erntet.
Heidi pflanzt wilden Fenchel und wilden Knoblauch so, wie sie in der Natur wachsen, bildet für sie einen steinigen Boden nach und lässt mehrere, zueinander passende Pflanzenarten in Mischkultur gedeihen.
Die meisten kommerziell gezüchteten Blumen werden gespritzt und auf Böden voller Chemikalien angebaut. Deshalb, so betont Heidi, müsse man einen Unterschied machen, denn selbst wenn die Blüten theoretisch essbar seien, solle man keinesfalls kommerziell angebaute Blüten verzehren.
Ihr Interesse für Blüten aufgrund ihrer Heilkräfte ist zutiefst persönlicher Natur und entstand schon im frühen Kindesalter. Denn ihre Mutter erkrankte an Multiple Sklerose, als Heidi noch ein Kind war, und verbrachte acht Jahre im Krankenhaus, wo sie vorwiegend mit Kortison behandelt wurde, das Nebenwirkungen hatte – sie verlor ihr Augenlicht. Für ihre Mutter begann Heidi sich über Pflanzen mit heilenden Eigenschaften zu informieren, und fand heraus, dass Borretsch ein natürliches Kortison ist. Es stellte sich heraus, dass Kapuzinerkresse zu den besten Anti-Krebs-Pflanzen zählt und die sekundären Pflanzenstoffe in Blumen – die Farben in den Blütenblättern – einen großen Nährstoffgehalt aufweisen. Allerdings sind viele medizinisch genutzte Blüten in Tees und Tinkturen bitter.
Es gibt über hundert Lavendelarten, aber Heidi züchtet nur die duftenden, zarten Sorten, die ausgezeichnet zu Lamm, Mürbegebäck, Milch und Eiscreme passen. Ihre Pinterest Boards sind ausführliche Rezepte für alles Mögliche vom Zitronenöl und Schnittlauchessig bis hin zu Anrichtetechniken für Köche. Heidi hat acht Jahre als Köchin auf Yachten gearbeitet und dabei detaillierte Kenntnisse über die Verwendung ihrer Blüten in der Küche zusammengetragen. Deshalb ist das Essen in ihrem Haus, wie sich jeder vorstellen kann, ausgesprochen exquisit.
Wenn sie nicht gerade Rosen von David Austin und alte Begoniensorten züchtet, geht Heidi mit ihren drei Kindern zusammen Strände säubern. Sie merkt, wie sich ihr Garten und ihre Blumen auf alles Mögliche andere auswirken, und hat ein „Weltbewusstsein”, das ihr Geschäft und ihr ganzes Leben durchdringt – sie geht achtsam mit allen Aspekten des Anbaus, der Aufzucht und des Verkaufs ihrer Blühpflanzen um. Für Heidi ist das „Gärtnern ein Projekt aus Leidenschaft“, wie sie ganz ernst sagt. „Tagtäglich erfordert es Zuwendung und Pflege und den grünen Daumen habe ich von meiner Großmutter geerbt.”