Das Haus der Sóller Künstlerin Francesca Martí

Francesca Martí lädt abcMallorca in ihr Sóller Heim ein

Willkommen im Anwesen einer Künstlerin, deren Werke bereits rund um den Globus ausgestellt wurden. Ihre Schöpfungen bereichern private und öffentliche Kunstsammlungen – sogar einige Royals erfreuen sich daran. Der Name der bekannten, aus Sóller stammenden, Künstlerin ist Francesca Martí. Die Mallorquinerin ist Fotografin, Malerin, Bildhauerin und Installations-Künstlerin. In der Plà d´es Bisbe lebt und arbeitet sie, inspiriert von einem atemberaubenden Panoramablick über Sóller sowie die pittoresken Nachbardörfer Biniaraitx und Fornalutx.

Das Zuhause von Francesca und Ihrem Mann, dem Ingenieur Gunnar Dahl (er wurde als Sohn norwegischer Eltern in Schweden geboren) hat eine faszinierende Geschichte. Teile des Anwesens wurden vor mehreren Jahrhunderten gebaut. Wie dem Namen zu entnehmen ist, war es einst der Wohnsitz eines Bischofs. Später nutzten es valencianische Orangenhändler als Unterkunft für die Landarbeiter; im Gebäude, in dem heute Francescas geräumiges Atelier untergebracht ist, steht immer noch die Tafona, eine urige mallorquinische Olivenpresse. “Die Geschichte dieses Ortes begeistert Gunnar und mich”, erklärt Francesca. “Die Lage und die Sonnenuntergänge, die man von hier aus sieht, haben etwas Magisches. Es bietet Abgeschiedenheit kombiniert mit der Nähe zum dörflichen Leben; und man ist mitten in der Natur.”

Nach dem Kauf der Finca musste Francesca erst einmal ihren vollen Terminkalender abarbeiten. Gemeinsam mit ihrem Assistenz-Manager Roland von Dinten organisierte sie die Nahost-Tournee ihrer Ausstellung “Soul”. Das Projekt gastierte in Ägypten, Israel und Amman; im Rahmen der 10. Internationalen Biennale von Kairo gewann “Soul” den ersten Preis. In Plà d´es Bisbe wurde zunächst das Atelier fertiggestellt, um danach den Rest das Hauses zu renovieren. Die beiden Kerngebäude des Anwesens wurden zu lebendigen Kunstprojekten umgestaltet. Die Arbeiten, bei denen viele Naturelemente einbezogen wurden, dauerten zwei Jahre. Vor einem Jahr bezog das Paar das Gebäude.

Wir nippen gemütlich an einem Kaffee, während wir an zwei rechteckigen Esstischen sitzen, die mit Glasplatten bedeckt sind. Der Standfuß der Tische ist jeweils aus penibel gestapelten alten Eisenbahnschwellen hergestellt, eingefasst in einen Metallrahmen. Das ist typisch für das Werk von Francesca Martí: Aus Möbeln wird Kunst. Und das ist erst der Anfang der Leckerbissen… Auch der modernen Küchezeile hat sie ihren Kreativ-Stempel verpasst. Beim Kochen für Freunde findet Francesca Entspannung (ebenso beim Lesen, Wandern oder am Meer). Mittelpunkt dieser Schaltzentrale des täglichen Lebens ist ihre einzigartigeVorrats-Box: eine Reihe alter hölzerner Orangenkisten, die sie in einem Nebengebäude gefunden hat, bedeckt mit einer restaurierten Holzplatte. Ob die Initialen “FM” Hommage der Künstlerin sind? Nein, sie stammen vom oben genannten Orangenhändler, der zufällig die gleichen hatte.

In den 50er Jahren hatten Vorbesitzer einen Anbau realisiert, der nun in einen lichtdurchfluteten Raum verwandelt ist, der sich anfühlt wie eine Loft-Wohnung: Das Familienleben (ein Sohn und eine Tochter wohnen ebenfalls hier) findet hier im Erdgeschoss statt. Auf dieser Ebene befinden sich auch die Schlafzimmer und ein Büro. Das Mobiliar ist leicht, modern und hat – was kaum überraschen dürfte – Einflüsse skandinavischen Designs. Das sieht man an der dänischen Esszimmer-Garnitur und der zeitgenössisch arrangierten Beleuchtung. Der nahegelegene Lounge-Bereich wird optisch von zwei üppigen creme-weißen Sofas dominiert, zwischen denen ein Kaffee-Tisch als gedachtes Zentrum steht: Um ihn zu bauen, nahm Francesca Stapel von alten, aufgeschlagenen Lexika und packte einfach eine Glasscheibe oben drauf. ¡Venga!

Entlang einer Wand stehen mehrere moderne, graue Lager-Kisten auf dem Fußboden. Darin verstaut Francesca Bücher über einige ihrer Lieblingskünstler, unter anderen Shirin Neshat, Wilfredo Lam, Anthony Caro – von dem eine Skulptur im Garten steht – und Erwin Olaf. Der australische Kurator Jonathan Turner organisiert demnächst eine Ausstellung von Werken von Francesca Martí und Erwin Olaf in Rom. Hauptthema ist das Tauchen als Konzept-Sport, mit Olympiasieger Matt Mitcham als Galionsfigur. Matt weihte übrigens letztes Jahr den Pool in Plà d´es Bisbe ein.

Die Hinterwand wurde durch Glasfenster ersetzt, die vom Boden bis zur Decke reichen. Durch sie blickt man auf einen nah gelegenen Pfad, der sich zwischen Haus und einer zum Stufen-Garten gehörenden Steinmauer schlängelt. Von einem der Sofas aus sieht man nur Stein – keinerlei Pflanzen – und den Effekt eines Wasserspiels, das in die Mauer eingebaut ist. “Das ist sehr entspannend”, sagt Francesca. “Wenn es regnet, ist es magisch – geradezu meditativ.”

Jeder Raum enthält einige ursprüngliche Elemente, wie hier zwei Ecktische mit vergoldeten Ornamenten. In der kleinen Bibliothek nebenan steht ein antiker runder Tisch am Fenster, bedeckt mit einer üppigen Tischdecke aus schwerem Stoff – wie ein alter spanischer Brokat-Vorhang. In starkem Gegensatz zum dunklen hölzernen Altartisch steht eine weiße Leinwand, die durch die Mitte des Raumes gezogen ist. Diese Kombination ist betörend, und wenn einer der zahlreichen Projektoren im Haus zu surren anfängt, entsteht eine außergewöhnliche Installation. Man sieht einen farbigen Mann (aus Sierra Leone) langsam aus einem Riss in der Projektionsfläche hervortreten. Dies ist Teil von Francescas „Risse“-Projekt, „um die Risse in uns selbst darzustellen, innen wie außen“. Inspirationen dazu erfuhr sie bei ihrem Besuch der Ruinen von Petra in Jordanien. Es ist schwer, sich dem zu entziehen. Für die meisten von uns ist eine Stubenfliege einfach nur lästig, aber Francesca inspirierte dieses gewöhnliche Insekt zur Multimedia-Installation “Music and Fly”.

Einige fotografische Leinwände zu diesem Thema sind im ganzen Haus verteilt. Ein zweites, wesentlich unprätentiöseres Esszimmer wird im Winter zum Schauplatz für “Feiern der Kunst”. Dabei wird offensichtlich das Leben Francescas als Künstlerin gewürdigt: Die Wände sind behängt mit Arbeiten, die ihre kreative Reise während der vergangenen 20 Jahre illustrieren. In einer ruhigen Ecke sind einige ihrer bronzenen Fliegen-Skulpturen an einer Steinwand angebracht. Das Familien- Haustier, eine Siamkatze, hüpft nebenbei auf eines der kuscheligen Sofas, um sich zu erholen – denn sie wurde vor kurzem sterilisiert.

Museums-Direktoren aus der ganzen Welt, Schriftsteller und Musiker kommen regelmäßig zu Besuch; sie bewohnen dann die Gästezimmer im Obergeschoss. “Jeder fühlt sich hier wohl, weil alles so friedvoll und Energie spendend ist”, weiß Francesca. Den Terminus “wohlfühlen” betont sie immer wieder, wenn sie vom Schaffensprozess ihrer machtvollen Werke spricht. Dieses Zuhause ist mehr als nur eine außergewöhnliche Immobilie auf Mallorca, die Francesca “kleines Paradies in Europa” nennt. Es ist auch ein Ort, um Körper, Seele und den künstlerischen Prozess selbst zu nähren. Das ist unübersehbar, wenn man Francesca Martís jugendlich-frische Erscheinung betrachtet und ihre kreativen Ergebnisse. Könnte ein Künstler noch mehr verlangen?