Wer wandert, der weiß es wohl, wer nicht wandert, wird sich wundern: In der kleinen Stadt Lloseta auf Mallorca werden Wanderschuhe hergestellt, die Weltklasse Niveau haben. Die Firma Bestard Boots begann bereits vor 75 Jahren mit der Schuhproduktion. Damals waren es, unter Firmengründer Antonio Bestard, noch Herrenschuhe, die im Familienkreis gemacht wurden. Wer gut war, schaffte genau ein Paar pro Tag.
Viele Jahre funktionierte das Familienunternehmen gut, doch der stetige steigende Konkurrenzdruck in der Schuhbranche war dann der Auslöser dafür, das kriselnde Firmenmodell zu hinterfragen. In den 1970er Jahren übernahm die zweite Generation der Familie Bestard das Ruder und fand die Lösung in der weiteren Spezialisierung der Firma. Sie liebten die Ausflugsmöglichkeiten auf Mallorca. Bei einem solch herrlichen Wanderpanorama, wie es die Serra de Tramuntana oder die Sierres de Levante bieten, kein Wunder. Nachdem gelesen, nachgeforscht und Messen besucht worden waren, fiel die Entscheidung nicht allzu schwer… 1975 erblickte der erste Bestard Wanderschuh das Licht der Welt.
Heute ist die Firma außerordentlich spezialisiert, produziert und verkauft global die vielen verschiedenen, perfekt abgepassten Schuhe für jede Wandervariante, die einem so in den Kopf kommt. Immer noch befinden sich, trotz des steigenden Preisdrucks, rund 50% der Produktion auf Mallorca.
„Wir definieren uns über Qualität, Spezialisierung und die modernsten Technologien. Damit positionieren wir uns in einem mittleren bis hochpreisigen Segment. Anders geht es auch nicht, wenn man langfristig auf Mallorca produzieren möchte“, sagt Esperanza Bestard, die seit einigen Jahren Teil der Geschäftsführung und damit die dritte Generation ist, die das Unternehmen in die Zukunft führt. Ihr Onkel, Pedro Bestard, steht mit 66 Jahren aber auch noch an den Maschinen und sorgt für die so herausragende Qualität der Schuhe. Ein Familienunternehmen durch und durch.
Bestard Boots ist innovativ und scheint keine Angst vor neuen Schuhvarianten zu haben. So produzierten sie bereits für das spanische Militär und fertigen Stiefel für Jäger im hohen Norden. „Die kann man auf Mallorca gar nicht tragen, das wäre viel zu warm!“, erklärt Gabriel Company, der verantwortlich fürs Marketing und seit 20 Jahren im Unternehmen ist. Falls Sie also einem Jäger in Schottland begegnen, fragen Sie nach der Marke seiner Schuhe, vielleicht sind sie „Made in Mallorca“.
Ihre größte Stärke liegt in der qualitativ hochwertigen Produktion von Wanderschuhen, auch für extremstes Terrain. So gehören sie zu einer der wenigen Firmen weltweit, die anspruchsvolles Schuhwerk fürs Canyoning herstellen, also das durchqueren von Schluchten und wilden Bächen. Aber auch für entspannte Waldwanderungen in Mittelgebirgen, wie es einige der Etappen der Trockensteinroute sind – oder für einen ausgedehnten Spaziergang in der Stadt – ist mit der multifunktionellen, schön designten Linie „Trail Walking“ gesorgt.
Neben den hohen Kosten, vor allem wegen der Lage Mallorcas und dem damit höheren Aufwand für Logistik, ist ein Problem der Firma, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Früher gab es einen offiziellen Ausbildungszweig, der wurde jedoch eingestellt. Und das obwohl in Inca ein weiterer, international erfolgreicher Schuhproduzent – nämlich Camper, quasi der große, ältere Bruder – angesiedelt ist. Um mangelndem Nachwuchs entgegenzutreten, hat Bestard Boots in Zusammenarbeit mit dem Schuhmuseum von Inca eine doppelte Ausbildung mit einem Auszubildenden gestartet. Ganz ähnlich zum deutschen Dualen-Ausbildungssystem, das international hohes Ansehen genießt.
Mit ihrem Azubi und der Erscheinung eines innovativen, neuen Schuhs zum Ende 2018 – nach rund zweijährigem Entwicklungsprozess – scheint die nahe Zukunft für Bestard Boots positiv zu sein. „Langfristig wollen wir eher organisch wachsen. Der Hauptteil unserer Produktion wird auf dem spanischen Markt abgesetzt. Wachstum ist also besonders im Export möglich“, sagt Gabriel.
Wandern auf Mallorca ist so vielseitig wie die Schuhe, die Bestard Boots herstellt. Diese Vielfalt drückt sich auch in ihrem Slogan aus, der nicht nur für Wanderer, sondern auch für jeden Reisenden wie gemacht erscheint: „Hasta donde tu quieras – bis wohin du willst“. Wenn Gabriel dem Slogan folgt, dann landet er zum Beispiel im Barranc de Biniaraix, eine Schlucht die vom Stausee Cúber bis zum Dorf Biniaraix hinab führt. Esperanza empfiehlt „Lluc a Peu“ unbedingt mal gemacht zu haben. Eines ist jedenfalls sicher: Für solch anspruchsvolle Wanderungen sind festes Schuhwerk ein Muss!
Fotos von Sara Savage