Anna Nicholas

Anna Nicholas

Eigentlich sollte es nur ein Zyklus von drei Büchern werden, die das Leben einer PR-Beraterin schildern, die im Londoner Mayfair-Viertel ein Unternehmen hat und privat auf Mallorca lebt. Die dritte Episode wird im Juli 2009 erscheinen und beim Titel hat Anna wieder einmal frech in die doppeldeutige Trickkiste gegriffen. Diesmal sieht man Bill Bryson auf dem Cover, der über seinem Frühstücks-Müsli sitzt und sichtlich amüsiert Presseberichte über „Ziegen von einer Kleinen Insel“ (Original: „Goats from a Small Island“) liest.

Die britische Schriftstellerin und PR-Expertin genoss eine streng-katholische Erziehung, aber ihre Vergnügungslust ist schier grenzenlos. Ihre wöchentliche Kolumne im „Majorca Daily Bulletin“ – bekannt als „Annas Rundumschlag“ – ist der beste Beweis für ihre pointierten Meinungen zu aktuellen Themen: „Ich fühle mich pudelwohl in der Rolle der Quertreiberin“, gibt sie mit breitem Lächeln zu. Auch das Buch „Ziegen von einer Kleinen Insel“ greift ein aktuelles Thema auf – zumindest was Naturkunde betrifft – denn es dreht sich um die Spezies „Myotragus“, die „Mäuseziege“, die früher über die Insel wanderte. Das Tierchen ist eine sprudelnde Inspirations-Quelle für Anna, die sogar im Backstage-Bereich des Londoner Naturkunde-Museums forschte, um einen Original-Myotragus zu inspizieren, den Dorothea Bate genau vor 100 Jahren auf Mallorca entdeckt hatte.

Der Zeitpunkt des Erscheinens von Annas neuem Buch könnte nicht besser sein – sie erstellt ein lebendiges Doppel-Porträt von der „Mäuseziege“ und von der Insel, die ihr ans Herz gewachsen ist.

„Goats“ handelt nicht nur von der „Mäuseziege“, sondern auch von Annas Wandlung von der PR-Koryphäe hin zur Romanautorin. Sie möchte auch ihre Liebe zu den Katzen beweisen, wie schon geschehen in ihrem letzten Roman „Die Katze auf dem heißen Ziegeldach“. Außerdem geht es um Skorpione, einen Bergsteiger-Gigolo und einen bulgarischen Modeschöpfer, der Transvestit ist! Ihrem übervollen Terminkalender begegnet Anna mit einem gehörigen Schuss Selbstdisziplin und einem geregelten Tagesablauf: „Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich während der Woche auswärts zu Mittag esse oder an ähnlichen Events teilnehme“, berichtet sie.

In der Regel steht Anna spätestens um 7 Uhr morgens auf, um ihre drei Katzen zu füttern, ihren zwölfjährigen Sohn Ollie für die Schule vorzubereiten und um zu frühstücken. Vier- bis fünfmal die Woche geht sie 45 Minuten lang joggen – entweder zum Hafen oder nach Fornalutx – um sich danach zu duschen und sich gegen 10 Uhr im Arbeitszimmer einzuschließen: „Dabei bin ich völlig leger. Wenn der Fotograf heute nicht mitgekommen wäre, hätte ich wohl irgendwelche Schlabber-Sachen und Flipflops an“, witzelt sie. Anna schreibt bis ungefähr 16 Uhr nachmittags – wobei sie sich zwischendurch einen Snack gönnt – damit sie nachher genügend Zeit findet, mit Ollie den Schultag Revue passieren zu lassen und die Hausaufgaben zu kontrollieren.

Sie ist „überglücklich“, dass ihr Mann Alan sie tatkräftig unterstützt: „Das macht das Leben einfacher. Er erledigt die Fahrten zur Schule, die Gartenarbeit und den nervtötenden Papierkram! Alles Übrige machen wir gemeinsam.“ Alan arbeitet gelegentlich als freier PR-Berater in der Finanzbranche und wird Anna demnächst dabei helfen, ein neues Heim für Katzen zu gründen. Jeden Freitag schreibt Anna ihre Zeitungs-Kolumne und erteilt nachher einer Handvoll Kinder Englisch-Unterricht. Das sind in der Regel Abkömmlinge der einheimischen Familien, die Kleidung für das Mädchen-Waisenhaus in Sri Lanka gespendet haben, das Anna und ihrer Familie so sehr am Herzen liegt. Zuletzt besuchten sie Sri Lanka an Weihnachten, mit Charity-Geldern, Spielsachen, haufenweise Mädchen-Klamotten und Schuhen im Gepäck. Für die Hilfsbereitschaft von so vielen Menschen auf der Insel ist sie unendlich dankbar.

Neuerdings bietet Anna auch an, einem buddhistischen Waisenhaus in Kandy zu helfen: „Ich möchte ein echtes Netzwerk schaffen, zu dem jeder beitragen kann. Wer kein Geld geben will, kann Kleidung oder andere Hilfsmittel spenden und diese an einer zentralen Sammelstelle auf der Insel abgeben.“
Beim Stichwort Sri Lanka schlägt ihr Herz höher: „Das Leben ist so einfach dort und viele Menschen leiden Not – aber trotzdem sind sie erstaunlich glücklich. Sie haben eine fantastische spirituelle Philosophie.“

Das Marathon-Laufen ist für Anna eine Spenden-Quelle geworden, die sie „Anlage in ein würdevolles Leben“ nennt. Kurz nachdem sie Mitglied des Vorstands der wissenschaftlichen Forschungsgesellschaft „Scientific Exploration Society“ (SES) geworden war, ging sie zum ersten Mal selbst an den Start. Die SES hatte zahlreichen Läufern die Startgebühr bezahlt: „Ein Teilnehmer sagte ab und ich sprang spontan ein; ich war neu und unternehmungslustig und dacht laut: So schwer kann das doch nicht sein“. Einer der Mitglieder entgegnete Anna: „Warum probierst du es dann nicht einfach?“

Anna brauchte einige ernsthafte Trainingseinheiten, die sich auszahlen sollten: es gelang ihr, 7000 Pfund Sterling (etwa 6500 Euro) Spendengelder von Sponsoren zu ergattern, dank ihrer guten PR-Kontakte, ihrer Kunden und der Zeitschrift „Hello“.

Letzten November lief Anna ihren sechsten Marathon: „Das Gefühl, im historischen Olympia-Stadion von Athen zu laufen, war unbeschreiblich. Die griechischen Zuschauer wedelten mit Oliven-Zweigen und warfen Olivenblätter als Glücksbringer auf den Weg.“ Das Marathon-Laufen ist für sie ein ideales Mittel, um erstens in Form zu bleiben, zweitens Spendengelder zu sammeln und drittens neue Länder kennen zu lernen.
„Das Reisen ist meine große Leidenschaft“, erklärt Anna. Sie ist zwar nicht mehr im SES-Vorstand, aber noch immer aktives Mitglied. Im Oktober 2008 verabschiedete sie „ihre Jungs“ zu einer Elefanten-Expedition in Borneo: „Ich liebe Elefanten, Eidechsen, Kröten ….. einfach alle.“

Außerdem hat sie einen „unstillbare Sehnsucht nach prähistorischen Naturvölkern, wie den Veddah in Sri Lanka“. Während ihres jüngsten Aufenthalts konnte sie einen Privat-Besuch dieses außergewöhnlichen Stammes organisieren, zu dem sie Nüsse und Tabak-Blätter – die Veddah-Leute ständig kauen – als Geschenke mitbrachte.

Die Wirkung des Tabaks ist leicht betäubend und den Mitgliedern des Stammes läuft beständig ein roter Saft an beiden Enden des Mundwinkels herunter. „Das ist ziemlich abgedreht“, lacht Anna, „so als würde man einen Tag mit Vampiren verbringen!“ All das ist so weit weg von der Metropole London, in der sich Anna mittlerweile fast wie eine Touristin fühlt. Ihre Heimat-Besuche werden weniger und sind entspannter. Das Einzige, was sie tatsächlich traurig stimmt, ist die Tatsache, dass in den letzten Monaten viele Freunde ihre Jobs verloren haben. Im April startet die Vorveröffentlichungs-Kampagne für ihr Ziegen-Buch und deshalb trat sie kürzlich als Gastrednerin beim prestigeträchtigen Literatur-Festival von Oxford auf.

Zurück auf Mallorca, nimmt ihre neue Laufbahn als Romanautorin bereits ausgeprägte Züge an. Drei Kapitel von „Sunflower Sisters“ sind bereits geschrieben. Der Roman spielt im Jahr 1961 und handelt u.a. von einem Osteuropa-Ausflug in Kindheitstagen, bei dem ihre Schwester, ihre Mutter und die beiden Tanten Minny und Della dabei waren.

Und was ist mit dem neuen Heim für Kätzchen? Wenn es keine weiteren unvorhergesehenen Terminverzögerungen mehr gibt, sollten die ersten verwöhnten Schmusetiger im Juli 2009 einziehen können. Die beiden Zöglinge „Smokey“ und „Mistral“ von Jan Edwards können es kaum erwarten.