Anders reisen

Neue Freunde und neue Erfahrungen durch alternative Reiseerlebnisse

Als Airbnb 2008 zum ersten Mal die Idee aufbrachte, während des Urlaubs bei Fremden zu Hause zu nächtigen, fanden viele das noch ziemlich verrückt – außer vielleicht jüngere Leute bis Mitte zwanzig. Und doch hat sich kaum zehn Jahre später die ganze Vorstellung davon, wie und wo man auf Reisen übernachtet, grundlegend verändert.

Heute wird das Konzept mehr und mehr zum Bestandteil dessen, was das Reisen und den Tourismus eigentlich ausmacht, denn die Menschen sind unterwegs zunehmend auf ganz besondere Erlebnisse aus. Ein Selfie vor dem Louvre oder dem Taj Mahal zu machen und ein echtes Souvenir mit nach Hause zu bringen, scheint schon lange nicht mehr auszureichen. Klar war man da, aber war man auch wirklich da? Es kommt nicht mehr so sehr darauf an, die Sehenswürdigkeiten zu besuchen, sondern eher darauf, sich unters heimische Volk zu mischen und etwas anderes auszuprobieren.

Natürlich gehörte Airbnb zu den ersten, die diese Interessenverschiebung wahrnahmen, und brachte 2014 ohne großes Trara seine ”Experiences“ auf den Markt. Da bieten Einheimische mit bestimmten Talenten, Interessen oder einfach mit Geschäftssinn Touristen für kleines Geld die besondere Möglichkeit, eine andere Seite ihrer Stadt oder ihres Landes zu erleben. Seither verzeichnet der ”Erlebnissektor“ in der gesamten Tourismusbranche enorme Zuwachsraten.

Wer unlängst bei Airbnb gestöbert hat, konnte zum Beispiel mit einem jungen japanischen Guide aus den Stadtgeräuschen von Tokio Musik kreieren oder auch die berühmten Wellen von Bondi surfen und anschließend essen und trinken wie ein waschechter Australier. Andere Unternehmen konzentrieren sich auf Marktnischen – wie etwa Home Food, wo man die Chance bekommt, bei authentischen italienischen Nonnas (Großmüttern) zu essen, oder Nightlife Friend, wo man mit gleichgesinnten Ausgehwilligen zusammengebracht wird, um die besten Clubs mit einem Einheimischen zu erkunden.

Und wer bei seinen Erlebnissen Wert auf Luxus legt, bekommt von Unternehmen wie Pure Entertainment maßgeschneiderte Dienstleistungen für ganz individuelle und hochwertige Erlebnisse geboten, die genau seinen Interessen entsprechen.

Auch auf Mallorca hat diese neue Art des Reisens bereits Fuß gefasst. Natürlich kann man nach wie vor den Tag am Strand verbringen und sich zum Sonnenuntergang ein Glas Cava gönnen, aber man kann auch etwas über das Färben von Textilien lernen, sein Glück beim Töpfern versuchen oder beim örtlichen Bauern anheuern und sein eigenes Gemüse zum Abendessen ernten. Man kann sogar mit einem studierten Historiker von der Insel entlegene archäologische Stätten besuchen. Die neue Website vawaa.com (Vacation with an Artist – Ferien mit einem Künstler) verspricht kreative Erfahrungen mit professionell arbeitenden Künstlern.

So lebt die aus Russland stammende Keramikkünstlerin Anastasia seit 2004 auf Mallorca und bietet Studio-Sessions bis zu einer Woche an, bei denen man verschiedene Tonsorten kennenlernen und etwas über das Töpfern per Hand und auf der Töpferscheibe sowie über Glasier- und Brenntechniken, Verzierung etc. erfahren kann – sämtliche Materialien sind im Preis enthalten.

Melissa Rosenbauer und Thomas Bossert sind das kreative Team hinter dem Unternehmen Espanyolet, das wunderschön handgemalte Textilien in Palma anbietet und seinen Namen von der Nachbarschaft hat, in der es sich befindet. Sie lehren z.B. wie man Farben mixt, Stoffe vorbereitet, malt, etc. und besuchen Locations vor Ort, die ihre Kollektionen und Farbpaletten inspirieren.

Oder Sie kombinieren Kreativität mit Personal Empowerment unter Anleitung der aus der Schweiz stammenden Steinbildhauerin und Lebenstrainerin Silvia Felix. Die bietet auf der Insel Workshops und Retreats unter der Bezeichnung ”Poetische Steinskulpturen” an – dazu gehören morgendliche Yoga-Sessions, Speckstein-Bildhauerei, vegetarisches Essen, kreatives Dichten, Coaching Sessions und natürlich pure Entspannung.

Reisende, die sich die Hände gern schmutzig machen und etwas über Anbaumethoden auf der Insel lernen wollen, können außerhalb der Saison auf Pedruxella Gran, einer riesigen und wunderschönen aktiven Farm oberhalb des Tales Vall d’en March im Tramuntana-Gebirge als ”Voluntouristen“ anheuern. Fünf Tage können sie jeweils drei Stunden auf dem Gut arbeiten und den Rest des Tages freinehmen, um das Anwesen und die Umgebung zu genießen. Und über Vayable können sie sich obendrein mit dem einheimischen Historiker und Tour Guide Albert in Verbindung setzen, der einzigartige Besichtigungen abgelegener archäologischer Stätten arrangiert, Transport inbegriffen.

So sieht Reisen 2.0 im 21. Jahrhundert aus. Man war nicht nur an einem unbekannten Ort, sondern hat auch neue Freunde gewonnen und vielleicht eine neue Fähigkeit erworben. Das sind die Erlebnisse und Begegnungen, an die man sich noch lange erinnern wird.